Christian Jakob WagenseilIn ihrem Brief aus Speyer an den Kaufbeurer Christian Jakob Wagenseil am 15. März 1782 erinnert sich die 52-jährige Sophie La Roche (1730 - 1807) an das Kaufbeurer Tänzelfest (Auszug aus: „Gemeinnütziges Wochenblatt“, 30. März 1782):

„… Sagen Sie mir auch, ob das Tänzelhölzle noch steht und noch alle Jahre besucht wird. Aber was helfen mich all diese Erinnerungen? Denn ach! Nie werde ich die Thäler wieder grüssen, wo ich den Lenz des Lebens zugebracht. …“

Sophie de La Roche
geb. Gutermann

Der 26-jährige Christian Jakob Wagenseil (1756 - 1839, Bild rechts) antwortet am 12. Mai 1782 in seinem Brief von Kaufbeuren an Sophie de La Roche in Speyer:

„… Das Tänzelhölzle ist immer noch das Ziel meiner einsamen Spaziergänge. Da erinner' ich mich immer recht lebhaft meiner frohen Kinderjahre. Ich übersehe die weite Gegend, Felder, Wiesen, Wälder und Dörfer rings umher. …“

Dero ganz ergebenster
Wagenseil I. C.

Festabzeichen 2014 schrg2014 erfüllte sich endlich ein lange gehegter Wunsch vom "Freundeskreis Sophie La Roche": Sophie La Roche erhielt im Tänzelfest Kaufbeuren, das als ältestes Kinderfest Bayerns gilt, mit ihrer Familie eine eigene Gruppe im Umzug. Außerdem zierte sie das Festabzeichen 2014. Das traditionell von Rosi Lauerwald zur Eröffnungsfeier verfasste Theaterstück stand überdies unter dem Motto "Sophie La Roche und ihr Zeitalter". Damit brachte der Tänzelfestverein die Literatin und ein Stück Kaufbeurer Geschichte den Besuchern nahe.

Der neu geschaffenen historischen Gruppe gehören folgende Persönlichkeiten der Kaufbeurer Stadtgeschichte aus dem familiären Umfeld von Sophie La Roche an, die eine Reihe von Kaufbeurens einflussreichsten und bis heute hoch angesehenen Familien repräsentieren:

  • Dr. Georg Friedrich und Regina Barbara Gutermann, geb. Unold - Sophies Eltern
  • Euphrosina Unold, geb. Heinzelmann - Sophies Kaufbeurer Großmutter - Ahnfrau eines bedeutenden Familienverbundes
  • Sophies in Kaufbeuren geborenen drei - von insgesamt zwölf jüngeren Geschwistern - überlebenden Schwestern, darunter Katharina, genannt „Cateau“ - die spätere Ehefrau des Bürgermeisters von Biberach, Johannes von Hillern
  • Christian Jakob Wagenseil aus Kaufbeuren - der Schriftsteller und Sophies literarischer Freund, über die Heinzelmann-Linie mit Sophie entfernt verwandt, der sie 1775 auf einer Reise nach Frankfurt kennenlernte und mit ihr korrespondierte
  • Johann Jakob Brucker - Begründer der europäischen Philosophiegeschichte - ein in Augsburg geborener Verwandter von SLR und am 06.12.1730 ihr Kaufbeurer Taufpfarrer in der Dreifaltigkeitskirche,

SLR Tnzelfestgruppe

Vorstellung der neuen Tänzelfestgruppe im Sophie-La-Roche-Zimmer des Stadtmuseums Kaufbeuren: sitzend Sophie Gutermann, verehelichte Ra Roche (2. von links) mit ihren Schwestern; stehend von links die Eltern Dr. Georg Friedrich Gutermann und seine Frau Regina Barbara, geb. Unold, Christian Jakob Wagenseil, Johann Jakob Brucker, Großmutter Euphrosina Unold, geb. Heinzelmann.

Lena Geißler, von der auch die neuen Gewänder für Kaiserin und Kaiser stammen, hat die Tänzelfest-Kostüme für die Gruppe entworfen und das Kleid für Sophie von La Roche angefertigt. Bei den übrigen Figuren steuerte sie die historische Kostümberatung bei. An Sophies Kleid aus petrol-purpurfarben changierender Seide umschmeichelt zarte schneeweiße Tüllspitze an Ärmeln und Ausschnitt Handgelenke und Hals. Das modisch betonte, "Cul de Paris" (frz. "Pariser Hintern") genannte, gepolsterte Hinterteil ist mit rosa Blätterranken bestickt. Die zugehörigen mädchenhaften Strohhüte, Zylinder und Dreispitz der Herren, der violette Rüschenhut der Mutter und die anmutige, weiße, perlenbesetzte, ovale Haube von Sophie, die auf vielen Abbildungen zu sehen ist, stammen aus der Hand von Tänzelfestmodistin Irmgard Schopf.

Die neue Gruppe ist im Tänzelfestzug hinter der Hochzeitsgruppe aus dem 18. Jahrhundert eingeordnet.

Zahlreiche Memorabilien und nach Sophie La Roche oder ihren Werken benannte Einrichtungen erinnern in ihrer Geburtsstadt Kaufbeuren an die Schriftstellerin:

  • Die Geburtsurkunde im Evangelischen Kirchenarchiv Kaufbeuren
  • Das Sophie La Roche-Geburtshaus in der heutigen Ludwigstraße
  • Der Tauf-Altar in der Dreifaltigkeitskirche
  • Das Taufgeschirr
  • Der Freundeskreis Sophie La Roche e. V.
  • POMONA – Literarischer Salon
  • Sophies Bücherstube
  • Die Sophie La Roche-Straße
  • Das Sophie La Roche-Zimmer im Stadtmuseum
  • Die Sophie La Roche Realschule

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Taufkanne der Dreifaltigkeitskirche, mit der auch Sophie
Gutermann getauft wurde; gezeigt bei einer Ausstellung über
den Namensgeber der Schule im Jakob-Brucker-Gymnasium 2012

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Die von Dipl.-Designerin Irmgard Kuisle gestaltete
gläserne Gedenktafel und der Schattenriß von
Sophie La Roche an ihrem Geburtshaus

 

Sophie La Roche-Genealogie:

Sophie La Roche ist unter anderem

  • die Großmutter der Brentanos (Clemens Brentano, 1778 – 1842 und Bettine Brentano, 1785 - 1859), Gila von Weitershausenden Mitbegründern der deutschen Romantik
  • "Schwiegergroßmutter" des Oberbürgermeisters von Frankfurt, Georg Friedrich von Guaita (1772 - 1851), der mit Meline Brentano, einer Schwester von Clemens und Bettine, verheiratet war
  • Urahnin des Preußischen Ministers und Begründers der Hist. Rechtsschule Friedrich Carl von Savigny (1779 - 1861)
  • Urahnin des Bayerischen Ministerpräsidenten und Reichskanzlers Georg Graf von Hertling (1843 - 1919)
  • Urahnin des Bundesaußenministers Heinrich von Brentano - Stief-Ahnen-Verhältnis (1904 - 1964)
  • Ururahnin der Schauspielerin Gisela „Gila“ Freiin von Weitershausen (Jahrgang 1944), einer Urenkelin des Reichskanzlers Georg von Hertling.

Gila Freiin von
Weitershausen

Sophie La Roche – Pionierin für Frauen in der Literatur:

Sophie La Roche, die kultur- und literaturgeschichtlich den Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert markiert, war unter anderem

  • die erste Roman-Autorin in Deutschland im Zeitalter der Aufklärung und der Empfindsamkeit („Geschichte des Fräuleins von Sternheim“, erschienen 1771)
  • die Begründerin eines der ersten literarischen Salons in Deutschland (Ehrenbreitstein 1771)
  • die erste Herausgeberin und Verlegerin einer Frauenzeitschrift in Deutschland („Pomona“, erste Ausgabe 1783)
  • die erste (Reise-)Journalistin in Deutschland („Journal einer Reise durch Holland und England - 1788), Erinnerungen aus meiner dritten Schweizerreise - 1793, Reise von Offenbach nach Weimar und Schönebeck im Jahr 1799 – 1800)

   
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